Wiener Spaziergänge Nr. 38

Der nächste Wiener Spaziergang, Nr. 38, führt uns nach Favoriten. Der  10. „Hieb“. An den südlichen Rand von diesem Bezirk. Ich stehe in der Neilreichgasse, links ist der Wienerberg und rechts die Wienerfeld-Siedlung.

Wienerberg

Der Wienerberg ist ein Bergrücken am Südrand Wiens. Dieser Teil, welchen wir uns heute ansehen, zwischen Neilreichgasse und Triester Straße, ist ein Erholungsgebiet. Wunderschöne, teils verwachsene Grünflächen, davon 16 Hektar Wasser. Hier gibt es noch Tierarten die auf der Roten Liste stehen, zum Beispiel der große Feuerfalter oder die europäische Sumpfschildkröte.

Ein berühmtes Wahrzeichen des Wienerbergs ist die Spinnerin am Kreuz und der alte Wasserturm Favoriten. Übrigens in unmittelbarer Nähe der Spinnerin befanden sich zwei Hinrichtungsstätten.

Die Geschichte des Wienerbergs: Zur Römerzeit wurden hier schon Lehmvorkommen entdeckt und zur Ziegelherstellung genutzt. 1775 ließ Maria Theresia die erste stattliche Ziegelei auf diesem Gebiet errichteten. Diese wurde Anfang des 19. Jahrhunderts zur größten Europas. Die Firma Wienerberger wurde hier Anfang des 19. Jahrhunderts gegründet. Das Wiener Arsenal, da waren wir schon, wurde mit den Ziegeln vom Wienerberg gebaut. Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts kamen hier viele Familien aus den Kronländern um Arbeit zu finden. Das waren die „Ziegelbehm“. Ein Begriff den heute wahrscheinlich nur mehr Oldies kennen. Durch Victor Adler, Begründer der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei und Arzt, wurde das Leid dieser Arbeiter aufgezeigt etwas gemildert. Heute erinnert nichts mehr an diese furchtbare Zeit, im Gegenteil, das Erholungsgebiet ist eine Oase der Ruhe und Entspannung.

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Erholungsgebiet Wienerberg Foto © Gabriele Czeiner

Wienerfeld

Nach dem Spaziergang im Grünen, eine Rast auf der Bank mit Blick Richtung 12. Bezirk, nehmen wir den Ausgang zur Neilreichgasse. Übrigens die Neilreichgasse wurde benannt nach August Neilreich. Er war Botaniker und veröffentlichte um 1860 die Bücher „Flora von Wien“ und „Flora von Niederösterreich“. Wir sehen vor uns die die Wohnsiedlung Am Wienerfeld West. Der Bau dieser Siedlung begann schon während der Nazi-Zeit. Mitte der 1950er Jahre wurde dann von einer Genossenschaft weiter gebaut. Im alten Genossenschafts-Teil dieser Siedlung ist es sehr grün. Die Siedlungshäuser haben alle 2 oder 3 Stockwerke und wurden großteils schön renoviert. Die Pfarrkirche Salvator am Wienerfeld gibt es seit 1980. Davor wurde ein Notgottesdienst in einem ehemaligen Pferdestall der Wienerberger Ziegelwerke abgehalten und ab 1970 in einem Versammlungsraum einer Wohnhausanlage.

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Salvatorkirche Foto © Gabriele Czeiner

Sibeliusstraße

Benannt nach dem finnischen Komponisten Jean Siebelius. Am Eck gibt es die „Wienerfeld-Schenke“. Dieses Lokal gibt es schon seit Ewigkeiten. Schön, dass es noch Lokale gibt, die nicht geschlossen sind. Auf der anderen Seite ist der Karl-Wrba-Hof. Diese riesige braune Wohnalge wurde 1978 bis 1983 gebaut. Auf diesem Areal waren einmal Kleingärten, bei der Eröffnung bekam diese Anlage den Spitznamen „Senfburg oder Senfbauten“. Karl Wrba war langjähriger Bezirksvorsteher von Favoriten.

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Karl-Wrba-Hof und Wienerberg Schenke Foto © Gabriele Czeiner

Bleigasse

In den kleinen Gassen finden sich noch alte Einfamilienhäuser, teils aus der Vorkriegszeit. Man bekommt ein wenig die Atmosphäre von damals zu spüren. Interessant auch die Namen der Gassen. Bleigasse, benannt nach Franz Blei. Er hat eine sehr interessante Vita. Unbedingt der Link folgen und nachlesen. Er war Schriftsteller und verstarb in New York. Hatte ein sehr aufregendes Leben. Über die Wienerfeldgasse kommen wir zur Carl-Prohaska-Volksschule und zur Maiklgasse. Benannt nach Georg Maikl. Er war Opernsänger. Es gibt hier nicht so viele alte Gebäude zu besichtigen, aber die Gassen- und Straßennamen sind schon sehr interessant. Diese Wienerfeld-Siedlung ist ein „Künstler-Eck“. Zurück zur Volksschule und der Platz davor heißt Carl-Prohaska-Platz. Jetzt kommts: Carl Prohaska war Komponist. Die nächste Gasse ist die Ignaz-Pleyel-Gasse. Ignaz Pleyel war – Bingo – Komponist und Musikverleger.

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Carl-Prohaska-Platz Foto © Gabriele Czeiner

Weiter spazieren wir über den Alfred-Stix-Platz, Alfred Stix war Kunsthistoriker und Generaldirektor der staatlichen Kunstsammlungen in Wien. Und einmal ums Eck ist die Ceralegasse. Luigia Cerale war Primaballerina in der Hofoper. Weiter gehts mit der Kunst – Soesergasse – Ferdinand Soeser war Vorstand des Wiener Schubertbundes. „Einen hab ich noch – einen hab ich noch“: Kiurinagasse. Bertha Kiurina war Staatsopernsängerin.

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Kiurinagasse Foto © Gabriele Czeiner

Ich habe noch was gefunden: Emil-Hertzka-Platz. Er war Musikverleger. Über die Bleigasse gelangen wir zu Pirchangasse. Emil Pirchan war Architekt, Maler und Bühnenbildner. In dieser Gasse habe ich eine interessante Abkürzung gefunden. Ein steiler Stiegenaufgang oder -abgang und daneben, etwas flacher für Kinderwägen oder Rollstuhlfahrer, aber mit Stufen! Ich möchte den Rollstuhlfahrer sehen, der es schafft hier nach oben oder nach unten zu fahren.

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Behinderten gerecht! Foto © Gabriele Czeiner

Über die Wienerfeldgasse gelangen wir wieder zur Neilreichgasse. Auf der Seite „Wienerberg“ sehen wir ein Pensionstenheim. Hier seinen Lebensabend zu verbringen ist sicher angenehm. Es ist ruhig, sehr grün. Viele Möglichkeiten für Spaziergänge und kleine Wanderungen.

Der Spaziergang heute dient hier zur Entspannung, vor allem im Erholungsgebiet. Es ist hier sicher schön zu wohnen, vor allem da dieses Grätzl gut mit Straßenbahn und Autobus zu erreichen ist. Auch das ist Wien viel Grün und viel Erholung. Andere Großstädte beneiden uns darum.

Text + Betragsfoto: Gabriele Czeiner