Weihnachtsspaziergang
Der Weltraum. Unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2020. Das sind die Abenteuer des Raumschiffs 49plus, das mit einer Minimalbesetzung unterwegs ist, um neue Welten zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen. Viele Proseccoflaschen vom Leben entfernt, dringt die 49plus in Grätzln von Wien vor, die noch nie ein Mensch gesehen hat.
Wir machen einen Weihnachtsspaziergang. Wie Sie in der Einleitung vielleicht schon bemerkt haben, habe ich vor dem Spaziergang einen Prosecco getrunken. Wir leben in Corona, es gibt keine Adventmärkte, keine Punschstände, Kaffeehäuser haben immer noch geschlossen. Also bleibt mir nichts anderes übrig, um ein wenig Weihnachtsstimmung zu erzeugen, ein paar Gläser Prosecco zu trinken. So lässt sich Corona auch etwas leichter ertragen, dafür ist der Spaziergang etwas kürzer.
Karlsplatz
Wir starten am Karlsplatz. Hier gibt – gab es immer einen wunderschönen Adventmarkt mit Kunsthandwerk. Heuer nicht. Richtung Albertina Modern, Bösendorfer Straße und wir laden auf der Kärntner Straße. Von hier sieht man auch schon die wunderschöne Beleuchtung der Kärntnerstraße. Aber vorher noch ein Blick auf die Ringstraßen Galerien.
Über die Mahlerstraße, mit Blick zur Oper, landen wir in der Kärntnerstraße. Es gibt heuer weniger Weihnachtsbeleuchtung. Am Ring fehlt sie komplett. Aber es ist auch ein ungewöhnliches Jahr. Die Fassade vom Cafe Gerstner ist mit einem Weihnachtsbaum geschmückt. Es leuchtet und blinkt. Wunderschön.
Kärntnerstraße
Die erste Adresse in Wien. Hier ist die Beleuchtung ein Traum. Man hat das Gefühl der Sternenhimmel ist zum Greifen nahe. Jemand hat geschrieben, dass die Beleuchtung wie riesengroße, goldene Unterhosen aussehen. Stimmt wirklich. Auf dem Foto, die 2. Beleuchtung rechts sieht wie eine „Pumpanölla“ aus.
Auch einige Seitengassen der Kärntnerstraße sind beleuchtet, die Annagasse, Spiegelgasse unbedingt ansehen.
Haus Nr. 16: Hier war das Hotel Meißl & Schadn. Die Fassade wurde mit fünf Mosaikbildern verziert, welche die fünf Weltteile darstellen. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wurde das Haus schwer beschädigt, dann brach auch noch im Nachbarhaus ein Feuer aus, das auch Teile dieses Hauses erfasste. Die Fassade in der Kärntnerstraße mit den Mosaikbildern blieb bis zum 2. Stockwerk erhalten. Der Rest des Hauses wurde neu erbaut und ist heute ein Wohn- bzw. Bürohaus. Im Erdgeschoss sind Geschäftslokale untergebracht.
Haas Haus
Stephansplatz, Haas-Haus. Dieses Haus kann auch schon etliche Geschichten erzählen. Der Name kommt von Philipp Haas & Söhne. 1866/67 wurde an dieser Stelle das erste große Warenhaus in Wien errichtet. Architekten waren Augst Sicard von Sicardsburg und Eduard van der Nüll. Sie bauten auch die Staatsoper. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Haus zerstört, danach wurde es sehr„schlicht“ neu erbaut. 1985 wurde es vom Architekten Hans Hollein neu geplant. 1990 wurde das Gebäude eröffnet, es sorgte wieder für Aufregung. Aber durch die Glasfassade, in der sich der Stephansdom spiegelt, passt sich dieses Gebäude gut an. Wenn man nachliest, steht in den Berichten, dass das Haus jetzt „Hollein-Haus“ heißt, aber für die Wiener ist es immer noch das„Haas-Haus“. Und das seit über 150 Jahren.
Graben
Wir flanieren weiter über den Graben. Hier standen immer Punschstände. Heuer nicht. Es riecht nach Würstel und Bier. Nicht nach Punsch und Weihnachtsbäckerei.
Hofburg
Über den Kohlmarkt spazieren wir weiter zur Hofburg. Beim Demel vorbei, die Konditorei ist geöffnet, es stet eine Schlange von Menschen davor, also werde ich mir keinen Coffee to go holen. Aber der Blick hier über den Michaelerplatz zur Hofburg ist einfach traumhaft. Das geht nicht nur mir so, viele Menschen bleiben stehen und bewundern dieses herrliche Bauwerk.
Stallburg
Zwischen Michaelerplatz und Josefsplatz ist die Stallburg mit einem wunderschönen Arkadenhof. Es wurde Mitte des 16. Jahrhunderts erbaut. Hier sollte eigentlich der erste Elefant von Wien einziehen. Daraus wurde nichts. Es war dann die Kunstsammlung von Erzherzog Leopold Wilhelm untergebracht, die „Stallburg-Galerie“. Im Erdgeschoss zogen die „Leibpferde“ des Kaiserhauses ein, daher kommt der Name Stallburg. Heute ist es die Unterkunft der Lipizzaner.
Der Weihnachtsspaziergang geht dem Ende zu, vorbei an der Albertina, noch ein offener Würstelstand, wieder mit einer Schlange von Menschen davor. Das sind die sozialen Kontakte, die wir momentan haben. Anstellen beim Würstelstand.
Wer der den ersten Absatz gelesen hat, weiß wahrscheinlich, in welchem Jahrzehnt ich geboren bin. Ich kenne den Krieg aus Erzählungen oder was ich darüber gelesen habe, keine Ahnung wie es sich anfühlt, nichts zu essen oder zu trinken zu haben. Keine Ahnung wie es sich anfühlt, eingesperrt zu sein, weil Bomben auf die Stadt fallen und man sitzt in einem Bunker und wartet. 2020 hat unser Leben auf den Kopf gestellt. Das erste Mal erlebe ich Ausgangssperren. Das erste Mal in meinem Leben sind über mehrere Wochen alle Lokale geschlossen. Bisher habe ich so etwas nur in Romanen gelesen. Oder meine verstorbene Tante hat mir erzählt, dass sie das in der Nazi-Zeit erlebt hat. Ich hoffe und wünsche mir, dass das bald vorbei ist.
49plus wünscht allen Lesern ein schönes Weihnachtsfest, dass 2021 wieder mehr Normalität einkehrt und wir wieder unser gewohntes Leben aufnehmen können.
Text und Beitragsfoto: Gabriele Czeiner