Wiener Spaziergänge Nr. 15

Dieser Wiener Spaziergang wurde am letzten Wochenende vor dem Lockdown-Ende gemacht. Der Handel hat schon geöffnet. Cafes, Restaurants, Heurige haben noch geschlossen. Aber keine Sorge, das Raunzen geht auch nach dem Öffnen der letzten Lokale weiter. Wir sind Wiener, wir finden immer etwas auszusetzen. UND wenn es nur das Wetter ist. Übrigens Wetter, das ist zur Zeit wirklich grauslich. Viel zu kalt, täglich Regen. Da kann man nur grantig werden.

Heute stehen nicht so sehr Gebäude oder Denkmäler im Mittelpunkt. Heute besuchen wir den Flohmarkt und den Kunst- und Antikmarkt. Das verbinden wir aber – natürlich – mit einer kleinen Stadtwanderung.

Ring

Wir starten bei der Akademiestraße/Kärntner Ring. Wahrscheinlich das letzte Mal für lange Zeit, dass wir den Ring ohne Autos sehen.

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Kärntner Ring ohne Autos Foto © Gabriele Czeiner

Ein unbeschwertes Überqueren des Rings. Rechts haben wir die Handelsakademie der Wiener Kaufmannschaft, das ist heute die Vienna Business School. Links Stadtkino und Albertina Modern. Über die neue Ausstellung berichte ich demnächst. Von hier haben wir auch einen herrlichen Blick zur Karlskirche. Neben der Karlskirche wird gerade das Wien Museum umgebaut. Schaut aus wie ein Skelett. 

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Karlskirche Foto © Gabriele Czeiner

Wir gehen durch den Resselpark, benannt nach Josef Ressel, dem Erfinder der Schiffsschraube. Ein Bild von Josef Ressel war auf unserem 500-Schilling-Schein, jetzt wissen wieder viele 49plus-jährigen wer das war! Berühmt wurde dieser Park auch nach dem 2. Weltkrieg, in der Besatzungszeit. Das war der Treffpunkt für Schleichhändler. 

Hier habe ich  noch ein Foto gemacht, dass für mich die Gemütlichkeit von Wien ausstrahlt, zumindest im Lockdown: Fiaker und Straßenbahn „nur schön langsam“. Unser Spaziergag führt uns in den 4. Bezirk.

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Gemütliches Wien © Foto Gabriele Czeiner

Wiedner Hauptstraße

4. Bezirk, das war einmal der Vorort „Wieden“. Es gibt hier sehr viel zu sehen: die technischen Universität, Hotel Goldenes Lamm, Hotel Stadt Triest. Nr. 15-17 ist der Habig-Hof. Benannt nach dem Besitzer der Hutfabrik P. & C. Habig. Erhalten ist noch das ehemalige Verkaufslokal der Firma mit dem wunderschönen, historischen Geschäftsportal. 

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Geschäftsportal Habig-Hof Foto © Gabriele Czeiner

Mein Ziel ist heute der Flohmarkt, aber es gibt soviel zu sehen und zu bewundert, dass ich nicht weiter komme. Wir gehen bei der Schleifmühlgasse vorbei. Benannt nach der „Schleif Mühl“. Schikander Kino – bald ist es wieder soweit ins Kino oder Theater zu gehen. Schikanedergasse muss auch erwähnt werden. Benannt nach Emanuel Schikaneder, er eröffnete 1801 das von ihm begründete Theater an der Wien. Vor allem aber bekannt wurde er als Librettist von Mozarts Zauberflöte.

Klumpert

Heumühlgasse, Grüngasse, Kettenbrückengasse. Die erste Station unseres heuten Wiener Spazierganges: Naschmarkt, am Beginn des Flohmarktes. Seit 1977 gibt es diesen Flohmarkt. Jeden Samstag mit Ausnahme der Weihnachtsfeiertage und – das ist neu – der Pandemie! Irgendwann vor langer, langer Zeit hieß der Flohmarkt „Altwiener Tandelmarkt“. 1972 begann Am Hof dieser Markt. Heute gibt es regelmäßige Flohmärkte vor allem in den Außenbezirken und in  der warmen Jahreszeit. Auch die MA 48 (Müllabfuhr) hat einen Altwarenmarkt, den 48er-Tandler. Hier findet man auch gut erhaltene und funktionstüchtige Altwaren.

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Flohmarktware Foto © Gabriele Czeiner

Die Atmosphäre des Flohmarktes ist schon etwas besonderes. Antiquitäten, alte Kleidung, Geschirr, Bilder, Spielzeug, „Klumpert“ eben. Mein handelt um jeden Cent, geht weiter, kommt nochmals zurück, vielleicht ist die begehrte Ware schon billiger. Dann versucht man sein Glück nochmals bevor der Flohmarkt zu Ende geht. Und die Freude wenn man etwas gekauft hat, etwas Altes, dann fühlt man sich zurückversetzt in die Kindheit, als man vielleicht gerade mit diesem Artikel so viel Freude hatte.

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Spielzeug © Gabriele Czeiner

Bei diesem Foto kann ich bis zu meinem Schreibtisch so mache Männerherzen sehr laut schlagen hören. Spielzeugautos und noch dazu im Originalkarton. Ich habe nicht nach dem Preis gefragt. Ich habe nur an meinen Mann gedacht, wenn er das gesehen hätte.

Naschmarkt

Jetzt machen wir einen Spaziergang durch den Naschmarkt. Die rechte Seite ist gut besucht, hier gibt es die Markstände wo man Obst, Gemüse, Fleisch, Gewürze kaufen kann. Die linke Gasse des Naschmarktes, heißt Maridl-Gasse, benannt nach einer ehemaligen Fratschlerin. Ein Begriff der leider nicht mehr verwendet wird. Fratschlerin war eine Obstverkäuferin.

Die Vorfreude, dass demnächst wieder alles geöffnet ist, ist schon sehr groß. Endlich wieder Freunde treffen, plauden, „Schmäh führen“, den Kellner im Kaffeehaus pflanzen. Einfach wieder leben. Und dann fällt der Blick aufs Theater an der Wien und das ist Nächste, worauf man schon wartet, Opernhäuser, Theater, Kinos öffnen wieder ihre Pforten. 

Weiter gehts zum nächsten Markt, vorbei an der Secession. Wie Überqueren den Karlsplatz, den locker befahrenen Ring, Oper, Albertina. Bleiben stehen beim Hrdlicka-Denkmal, dem Mahnmal gegen Krieg und Faschismus. Es ist so faszinierend, was dieser Bildhauer hier geleistet hat. Neuer Markt ist zur Zeit eine Riesenbaustelle. Hier entsteht eine neue Tiefgarage. Diesen Anblick werden wir sicher noch einige Zeit haben.

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Ob sich die Fertigstellung dieses Schanigartens bis zum Lockdown ausgeht? Riesenbaustelle Neuer Markt Foto © Gabriele Czeiner

Jetzt werden ich nostalgisch. Ich gehe durch die Marco-d’Aviano Gasse, hier war die Reiss-Bar. Nach dem Theater, nach der Oper war es üblich auf ein Glas Champagner oder Sekt in die Reiss-Bar zu gehen. Schade dass es sie nicht mehr gibt. Kärntner Straße, hier ist einiges los, Einkaufen gehen ist möglich, die Menschen nutzen das natürlich aus. Stephansplatz, Graben, Naglergasse. Das ist für mich eine der schönsten Gassen von Wien. In dieser kurzen Gasse stehen noch Häuser, die auf das 15./16. Jahrhundert zurück gehen. Entlang der gerade nummerierten Häuserzeile verlief die mittelalterliche Burgmauer. Für einen Teil der Gasse ist ab 1432 die Bezeichnung „Unter den Nadlern“ gebräuchlich. Nadler waren Schmiede, die verschiedene Arten von Nadeln erzeugten. Ab ca. 1547/48 war es dann die Naglergasse – eine Verfälschung des ursprünglichen Namens.

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Naglergasse Foto © Gabriele Czeiner

Kunst

Da ist der nächste Markt. Der Kunst- und Antikmarkt am Hof. Normalerweise sind hier immer sehr viele Stände. Das Angebot ist sehr groß. Heute ist es ruhig, wenige Besucher, es gibt nur einige wenige Stände mit Kunst. Dafür habe ich Zeit mich mit den „Standlern“ zu unterhalten. Nach Beendigung des Lockdwons, wenn es wieder wärmer ist, wird auch dieser Markt mehr frequentiert. Vor allem wenn auch wieder die Touristen in Wien sind.

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Kunst- und Antikmarkt Foto © Gabriele Czeiner

Das war das letzte Lockdown-Wochenende. Wenn dieser Artikel gepostet wird, haben wir schon wieder ein Stück mehr Freiheit. Die Lokoale haben wieder geöffnet. Wir können wieder einen Kaffee trinken, eine Mehlspeise essen. Die Wiener Spaziergänge wird es weiter geben, hoffentlich von nun an OHNE Lockdown.

In diesem Sinne bleiben Sie gesund und vielleicht treffen wir uns auf Glaserl Wein oder Prosecco am Naschmarkt.

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„Fluchtachterl“ am Naschmarkt, dieses Mal ein Glas Sekt Foto © Gabriele Czeiner

Text + Beitragsfoto: Gabriele Czeiner