Ein kleiner Wiener Spaziergang

Das ist heute ein kurzer Spaziergang aber mit vielen wunderschönen Stukaturen, Innenhöfen, alten Häusern. Ich bin im 2. Bezirk, in der Leopoldstadt, habe einen Termin und noch etwas Zeit. Die nutze ich für einen kleinen Wiener Spaziergang, Nummer 16.

Czerningasse

Hier starten wir. Benannt wurde diese Gasse nach Johann Rudolf Graf Czernin von und zu Chudernitz. Auf diesem Gebiet, von Praterstraße bis Franzensbrückenstraße und Untere Donaustraße, war das Gartenpalais des Grafen. Das kann  man sich heute nicht mehr vorstellen, dass hier alles Wiese und Wald war, das sich Füchse und Hasen Gute Nacht sagten. Gute Nacht sagen sich heute ein paar Nachtfalter, na ja, zumindest bis 22.00 Uhr, dann ist Sperrstunde und Ausgangssperre. NOCH! Auf Nummer 1 befand sich zwischen 1942 und 1945 ein Zwangsarbeitslager. Auf Nummer 7-9 gab es ebenfalls ein Zwangsarbeitslager von 1944 bis 1945. Und auf Nr. 7 wohnte Alfred Adler, der Begründer der Individual-Psychologie. 100 Jahre davor hat Johannes Brahms hier gewohnt. Vis a Vis, Nr. 6, hat Viktor E. Frankl, Neurolge und Psychiater, gelebt. 

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Blick in den Innenhof, Czerningasse 7 Foto © Gabriele Czeiner

In diesem Innenhof gibt es das Wandrelief „Schab den Rüssel“. Nach einem Märchen von Ludwig Bechstein. Durch einige dieser Innhöfe ist der Durchgang gestattet  und man kommt zum Beispiel auf der Praterstraße heraus. Ein Beispiel dafür ist der Florianihof.

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Florianihof Durchgang Czerningasse – Praterstraße Foto © Gabriele Czeiner

Nr. 16 ein wunderschöner Innenhof, unbedingt ansehen. Die Czerningasse mündet in die Franzensbrückenstraße. Links ist der Praterstern, man sieht den Bahnhof und dahinter das Riesenrad. Rechts geht es zur Franzensbrücke, und weiter in den 3. Bezirk. Wir biegen rechts ab. Ein  Blick in die kleine, kurze, schmale Hofenedergasse. Benannt nach Karl Josef Hofeneder. Er war Hoflieferant, bürgerlicher Fischkäufler (= Fischhändler) und Mitbegründer der DDSG (Donaudampfschiffsfahrtsgesellschaft). Auch hier war zwischen 1942 und 1945 ein Zwangsarbeitslager. 

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Hofenedergasse Foto © Gabriele Czeiner

k&k Waschhaus

Es gibt Gassennamen in Wien, die habe ich noch nie gehört, auch nicht gelesen. Waschhausgasse ist so ein Beispiel. Benannt nach dem kaiserlichen Waschhaus. Ich wußte auch nicht dass es ein kaiserliches Waschhaus gibt. Das war kein Tröpferlbad vom Kronprinzen. In diesem Waschhaus wurde die kaiserliche Wäsche gewaschen. Man hat also die Wäsche von der Hofburg oder von Schönbrunn gesammelt, hat sie in den 2. Bezirk gebracht, gewaschen, getrocknet, gebügelt und dann wieder retour. Wäre es nicht effizienter gewesen, je ein Waschhaus in der Burg, in Schönbrunn zu errichten. Aber darüber nachzudenken ist sinnlos.

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Waschhausgasse mit Blick zum Uniqua Tower Foto © Gabriele Czeiner

Wir biegen in die Lichtenauergasse ein. Unser Spaziergang ist von wunderschönen alten Zinshäusern gesäumt. Bis in das 19. Jahrhundert waren hier die Gartengründe des Czerninpalais. Dr. Franz Lichtenauer, nach dem diese Gasse benannt ist, parzellierte dieses Gebiet ab 1813. 

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Flat Iron Building der Leopoldstadt – steht in der Lichtenauergasse Foto © Gabriele Czeiner

Roberthof

Jetzt kommen wir an eine interessante Adresse. Ein Gebäude:Schwemmgasse, Lichtenauergasse, Robertgasse und Untere Donaustraße – der Roberthof. Diese viergeschoßige Blockverbauung mit großen quadratischen Innenhof wurde nach Plänen von August Sicard von Sicardsburg und Eduard van der Nüll erbaut. Diese beiden Namen sind bekannt – richtig Staatsoper! Dieses Gebäude sieht man schon von der Franzensbrücke. Unbedingt stehenbleiben und ansehen.

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Roberthof Foto © Gabriele Czeiner

Zwischen den Häuserzeilen hat man dann immer einen Blick Richtung 1. Bezirk. Vom Czerninplatz links in die Fruchtgasse. Kommt nicht von dem Schimpfwort „Früchtchen“. Hier stand das magistratische Frucht- und Getreidemagazin. Es bestand bis 1949. Verrückt was es in der Monarchie alles gab.

Tempelgasse

Ferdinandgasse, benannt nach Kaiser Ferdinand I. Nr. 29: hier wohnte Veza Canetti. Bis 1934, sie starb im Exil in England. Ihre Werke wurden erst posthum veröffentlich. Auch hier hat man wieder einen Blick Richtung Uniqua Tower.  Der Leopoldstädter Tempel war die größte Synagoge des 2. Bezirks, und befand sich, no na, in der Tempelgasse 3-5. Diese Synagoge hatte Sitzplätze für 2000 Personen und 1500 Stehplätze (!). 1917 wurde die Synagoge durch einen Brand verwüstet. Die Restaurierung dauerte bis 1921. Während des Novemberprogroms wurde die Synagoge zerstört. Es blieb ein Verwaltungsgebäude erhalten. 

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Desider Friedmann Hof, Tempelmosaik Foto © Gabriele Czeiner

Die Geschichte der Synagoge ist in Bildern und Worten am jetzige Metallzaun der ehemaligen Synagoge montiert. Auch goldenen Gedenkplatten oder Stolpersteine, findet man hier. Namen von Menschen, welche hier geboren wurden, hier lebten, deportiert und in einem KZ hingerichtet wurden. Vielleicht sollten mehr Mitmenschen sich das ansehen, verweilen und darüber nachdenken. Und passen wir auf, dass so etwas nicht mehr vorkommt.

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Stolpersteine Foto © Gabriele Czeiner

Nestroyhof

Die letzte Station auf dieser kleinen Stadtwanderung ist der Nestroyhof. Dieses wunderschöne Jugendstilgebäude am Nestroyplatz 2 wurde nach Entwürfen von Oskar Marmorek gebaut. Das war einmal das Etablissement Nestroy-Säle. Es gab in diesem Gebäude ein Wirtshaus, eine Bierhalle, ein Restaurant, eine Tanzbar und ein Theater. In dem auch Karl Kraus auftrat. Heute ist es das Theater Nestroyhof Hamakom. Hier wird unter anderem die Tradition der jüdischen Kultur fortgesetzt. Das Theater hat bereits geöffnet, unter strengen Einhaltung der Corona-Massnahmen. 

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Nestroyhof Foto © Gabriele Czeiner

Das war der kürzeste Spaziergang welchen ich bisher gemacht habe. Aber es gibt hier so viel zu sehen, die Leopoldstadt kann schon sehr viele Geschichten erzählen. Ich werde meinen Termin war nehmen und dann auf einen Kleinen Mokka und eine Mehlspeise gehen. Auch das gibt es wieder. ENDLICH!

Text + Beitragsfoto: Gabriele Czeiner

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Das ist heute ein kurzer Wiener Spaziergang aber mit vielen wunderschönen Innenhöfen, alten Häusern. Ich bin im 2. Bezirk etwas Zeit.
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