Wiener Spaziergänge Nr. 19
Alles spricht vom nächsten Lockdown. Ich hoffe, er kommt nicht. Ohne Lockdown sind die Spaziergänge auch viel angenehmer, man kann zwischendurch oder danach oder zwischendurch und danach auf einen Kaffee gehen und/oder auf ein Glaserl Prosecco. Also starten wir geimpft in den nächsten Wiener Spaziergang Nr. 19.
Meidling
Heute schauen wir uns ein wenig im 12. Bezirk, Meidling, um. Wir starten unsere Stadtwanderung beim Schloss Hetzendorf.
Das Schloss ging 1742 in den Besitz von Kaiserin Maria Theresia. Es war für die Mutter der Kaiserin gedacht. Nach diversen Umbauten und den Tod ihrer Mutter stand das Schloß lange leer. 1762 ließ die Kaiserin die Pockenimpfung einführen. In der Anfangsphase wurde diese an Kindern ausprobiert, welche dann vier Wochen mit ihren Familien auf Kosten des Hofes im Schloss lebten und medizinisch betreut wurden. Ob die sich damals auch so aufgeführt haben wie die heutigen Corona-Impfgegner? Danach wohnte Kaiser Joseph II zeitweise im Schloss. Unter Kaiser Franz I fanden im Schlosspark Sommerfeste statt. Nach 1848 war es das Hauptquartier von Feldmarschall Alfred Fürst Windischgraetz. 1912 bis 1914 wohnte Erzherzog Karl, der letzte Kaiser Österreichs, mit seiner Familie im Schloss Hetzendorf. Heute ist die Modeschule im Schloss untergebracht. Ein schöner Ort zu lernen.
Wir wandern die Hetzendorfer Straße weiter. Diese Straße verbindet den 13. mit dem 12. Bezirk. Ist fallweise eine sehr stark befahrene Straße, führt an der Schnellbahnstation Hetzendorf vorbei. Wir überqueren die Altmannsdorfer Straße und Breitenfurter Straße. Das sind sehr stark frequentierte Ausfallstraßen, und gehe weiter zum Khleslplatz.
Khleslplatz
Dieser Platz ist eine denkmalpflegerische Schutzzone. Der alte Ortskern stammt aus der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts (Altmannsdorfer Kirche, Pfarrhof, Altmannsdorfer Schloss). Der Platz hieß ursprünglich Kirchenplatz, das wäre jetzt nicht zu erraten gewesen. 1894 wurde der Platz nach dem Wiener Erzbischof Melchior Khlesl umbenannt.
Vor der Kirche steht die Augustinusstatue. Die „Beschuhten Augustiner“ hatten bis Anfang des 19. Jahrhunderts die Herrschaft über Altmannsdorf. Diese Statue wurde 1723 als Brunnenfigur geschaffen. Der Brunnen wurde Ende des 19. Jahrhunderts still gelegt, die Statue blieb erhalten.
Oswaldgasse
Der 12. Bezirk hat ein paar sehr schöne und ruhige Grätzln. Die Oswaldgasse, welche vom Klehslplatz bis zur Wienerbergstraße führt, ist ein gutes Beispiel. In der Mitte der Gasse ist eine Allee für Fußgänger und Radfahrer. Links und rechts sind Siedlungshäuser. Das „Rote Wien“ der Zwischenkriegszeit. Wie fortschrittliche man damals gebaut hat. Ein Wohngebäude ist sehr interessant. Nr. 33 war ein Lager der Firma „Kabel und Draht“ (Kabel- und Drahtwerke AG, ist heute im 21. Bezirk), in der Nazizeit war es ein Arbeits- und Sammellager. Heute ist es ein Wohnhaus. Die Fassade erinnert noch an eine Fabrik. Der Eissalon auf Nr. 1 hat vor einigen Jahren Schlagzeilen gemacht, als die „Eislady“ einige ihrer Männer „um die Ecke“ gebracht und in den Tiefkühltruhen gelagert hat.
Wienerbergbrücke
Die Wienerbergbrücke wurde als Nord-Süd-Verbindung 1966 eröffnet. Am Spitz Oswaldgasse, Wienerbergstraße, Breitenfurter Straße hat man einen guten Blick zur Meidlinger Kaserne.
Philadephiabrücke
Die erste Dampflokomotive für die Wien-Gloggnitzer Eisenbahn, heute Südbahn, wurde in der Stadt Philadelphia (USA) bestellt. 1838 nach Meidling, war damals noch ein Vorort von Wien, geliefert. Die Lokomotive bekam den Namen Philadelphia. Die erste Brücke über die Südbahn wurde 1841 in Betrieb genommen, sie hatte keinen Namen. Später gab es dann den „Gasthof zur Stadt Philadelphia“ und die Brücke bekam auch den Namen der Stadt. Auch die U-Bahn-Station U6 erhielt 1989 zur Eröffnung den Namen Philadelphiabrücke. 2013 wurde wurde die Stadtion in „Bahnhof Meidling“ umbenannt.
Auf der anderen Seite der Brücke überqueren wir die Eichenstraße und gehen dann ein Stück die Meidlinger Hauptstraße. Sie ist größtenteils Fußgängerzone und die Hauptgeschäftsstraße des Bezirkes.
Ruckergasse
Über die Wilhelmstraße und Koppreitergasse kommen wir zur Ruckergasse. An der Kreuzung zur Hohenbergstraße unbedingt Richtung Schönbrunn sehen, bei gutem Wetter sieht man die Gloriette und eine kleine Drehung nach rechts und wir sehen den Leopoldsberg.
Meidlinger Kaserne, die haben wir schon von der Wienerbergbrücke gesehen. Der ursprüngliche Name war Meidlinger Trainkaserne. Sie wurde von 1904 bis 1906 errichtet, bot Platz für 600 Soldaten, 400 Pferde, 1175 Fuhrwerke und es waren hier noch drei Reitschulen untergebracht. Das war sicher ein Gewurl.
Edelsinnstraße
Diese Straße wurde nach dem Wohltätigkeitsverein „Edelsinn“ benannt. Ein Blick zurück und wir sehen den Bahnhof Meidling. Bei guter Sicht sieht man wie groß dieser Bahnhof geworden ist. Wie sehr sich hier alles in den letzten 20 bis 30 Jahren verändert hat. Wir biegen in die Schwenkgasse ein. Jetzt sehen wir was sich hier in den letzten Monaten alles verändert hat. Auf der Brücke sieht man schon das neu errichtete Gebäude des Pharmaunternehmens Boehringer Ingelheim.
Kurz vor der Altmannsdorfer Straße wurde ein Stück der Straße in Doktor-Boehringer-Gasse unbenannt. Ernst Boehringer war Apotheker und Unternehmer. Etwas umstritten ist seine Zeit während des Nationalsozialismus. Wir gehen ein Stückerl die Altmannsdorfer Straße und biegen in die Thunhofgassse ein. Hier werden wir an das Schloß Hetzendorf erinnert. Das Schloß hatte einmal den Namen Thunhof. Benannt nach dem Malteserritter Franz Siegmund Graf Thunhof, einer der Besitzer des Schloßes, bevor es an Maria Theresia überging. Hier sind ein paar wunderschöne alte Villen zu bewundern.
Strohberggasse: Benannt nach einem historischen Flurnamen = Strohlagerplätze. Also jetzt hätte ich gerne einen Kaffee. Ich brauche aber nicht zu raunzen, es ist zur Zeit kein Lockdown, der Spaziergang ist auch gleich zu Ende und es gibt ein tolles Lokal als Abschluss für unseren Wiener Spaziergang.
Dazu kommen wir gleich. Wir gehen noch die Belghofergasse. Benannt nach Johann Belghofer. Er stammte aus Flandern und hat 1820 in Hetzendorf den ersten artesischen Brunnen in Österreich gebohrt.
Schönbrunner Alle
Diese Allee wurde benannt nach der Zielrichtung Schloss Schönbrunn. Durch die Allee zu spazieren ist wirklich herrlich, vor allem im Sommer, da es immer Schatten gibt. Wir sehen das Schoss Hetzendorf vor uns, der Beginn unseres Spazierganges. Und wir sehen das Ende unseres Spazierganges: Tiziano, das italienische Restaurant in Hetzendorf. Herrliche italienische Pastagrichte, Pizzen, guter Fisch und fantastische Nachspeisen. Im Innenhof sitzen, ein Glas Wein trinken, das Essen geniessen. Was kann es schöneres geben?
Nach dieser exzellenten Nachspeise freue ich mich schon auf die nächste Wanderung durch ein Wiener Grätzl.
Text + Beitragsbild: Gabriele Czeiner