Frauen und Gesundheit
Frauen leben deutlich länger in schlechter Gesundheit als Männer.
Laut aktuellem Bericht des Weltwirtschaftsforums verbringen Frauen um 25 Prozent mehr Lebensjahre in schlechter Gesundheit als Männer. Die Geschlechterungleichheit in medizinischer Forschung und Versorgung (Gender Health Gap) bleibt hoch. Ohne rasches Umdenken könnte sich diese Kluft mit dem zunehmenden Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Medizin weiter verschärfen, warnt Gendermedizinerin Alexandra Kautzky-Willer von der MedUni Wien anlässlich des Weltfrauentags am 8. März.
„Frauenkrankheit“
Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, allen voran Herzinfarkt, gelten nach wie vor als typische Männerkrankheiten. Stellen aber mit 37 Prozent die Todesursache Nummer 1 bei Frauen dar (Männer 32 Prozent). Auf Platz 2 folgen mit 21 Prozent Krebserkrankungen: „Hier ist in den vergangenen Jahren ein Anstieg zu verzeichnen, insbesondere Lungenkrebs tritt bei immer mehr Frauen auf“, berichtet Alexandra Kautzky-Willer von der Universitätsklinik für Innere Medizin III der MedUni Wien.
Laut Österreichischem Frauengesundheitsbericht 2022 hat sich die Zahl der Patientinnen mit Schwangerschaftsdiabetes seit 2010 verdoppelt! Eine drastische Zunahme, die bei zumindest 30 Prozent durch Adipositas bedingt ist. Die Verbreitung von Adipositas ist außerdem mitverantwortlich, dass bei Frauen auch Typ-2-Diabetes in jüngerem Lebensalter zunimmt und sie von Herz-Kreislauf-Komplikationen überproportional betroffen sind. Das gilt auch für Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems und der Psyche. Arthrose, Osteoporose und rheumatoide Arthritis kommen bei Frauen im Vergleich zu Männern besonders häufig vor. Das Risiko, im Lauf des Lebens an einer Depression zu erkranken, ist bei Frauen zwei- bis dreimal so hoch wie bei Männern.
19,3 Jahre bei schlechter Gesundheit
Die Krankheitslast, die Frauen vielfach schon während ihrer Jahre in Erwerbstätigkeit zu tragen haben, ist hoch. Laut Gender Health Gap-Report 2024 des Weltwirtschaftsforums, der die Lage in rund 150 Ländern aufzeigt, leben Frauen deshalb weltweit durchschnittlich um 25 Prozent weniger Jahre bei guter Gesundheit als Männer. Etwas weniger signifikant ist die Diskrepanz in Österreich. Der Österreichische Frauengesundheitsbericht besagt, dass Frauen hierzulande im Durchschnitt 83,7 Jahre alt werden, aber rund 19,3 Jahre in mittelmäßiger bis schlechter Gesundheit verbringen, im Vergleich zu 16,2 Jahren bei Männern.
Frauen in klinischen Studien
Die Ursachen für die gesundheitliche Kluft zwischen den Geschlechtern beginnen bei der Forschung. Trotz Fortschritten in den vergangenen 20 Jahren sind Frauen in klinischen Studien immer noch unterrepräsentiert. Dies führt zu Daten- und Wissenslücken, aber auch zu verzögerten Diagnosestellungen. Eine Studie, die in Dänemark über einen Zeitraum von 21 Jahren durchgeführt wurde, zeigte, dass Frauen im Fall von mehr als 700 Krankheiten später eine Diagnose erhalten als Männer. Bei Diabetes z. B. beträgt die Verzögerung viereinhalb Jahre. US-Analysen zeigen, dass bei weniger als der Hälfte der Frauen, die mit Endometriose leben, überhaupt eine Diagnose gestellt wurde. Besonders gravierend sind die Auswirkungen der verzögerten Diagnosen bei Herzinfarkt. Das Risiko, daran zu sterben, ist bei Frauen um 20 Prozent höher als bei Männern.
Künstliche Intelligenz
Die bestehenden Datenmängel können außerdem dazu führen, dass sich der Gender Health Gap im Zuge von verstärkten KI-Anwendungen in der Medizin verschärft. „Wenn Künstliche Intelligenz überwiegend aus männlichen Daten lernt, entfernen wir uns weiter und weiter von der gesundheitlichen Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern“, warnt Alexandra Kautzky-Willer. Sie wurde 2010 als erste Professorin für Gendermedizin an die MedUni Wien berufen. „Wir benötigen mehr Investitionen in frauenspezifische Forschung, die Sammlung und Analyse geschlechtsspezifischer Daten sowie die Verbesserung des Zugangs zu geschlechtsspezifischer Versorgung“, fordert Kautzky-Willer.
Quelle: Medizinische Universität Wien, Mag. Johannes Angerer
www.meduniwien.ac.at