Wiener Spaziergänge Nr. 39
Nr. 39 der Wiener Spaziergänge. Die Zeit vergeht. Alle die mich jetzt schon ein wenig kennen von meinen Wiener Spaziergängen, haben sicher schon bemerkt, dass ich meine Stadt sehr, sehr liebe. Was als Zeitvertreib im ersten Lockdown begonnen hat ist mittler weilen fast ein Sucht geworden. Die Stadtwanderungen durch Wien. Fotos zu machen und die Geschichte diverser Häuser, Skulpturen, Denkmäler zu recherchieren.
Start
Ich mag sehr gerne die Innenstadt und das Grätzl rund um den Naschmarkt. Es hat für mich eine besondere Atmosphäre. Außerdem treffe ich am Naschmarkt immer wieder nette Leute bei einem Kaffee oder Glaser Wein. Diese zufälligen Treffen sind die angenehmsten und lustigsten und die dauern meistens auch sehr, sehr lange. Vielleicht ist der eine oder andere Leser demnächst auch dabei.
Der Wiener Spaziergang den wir heute gehen werden, haben wir zum Teil schon abgewandert, zum Teil sind neue Dinge dabei. Wobei ich auch immer wieder neue Dinge sehen, auch wenn ich die eine oder andere Straße schon einige Male gegangen bin. Also starten wir in der Faulmanngasse, im 4. Bezirk. Nahe dem Naschmarkt.
Der Papageno-Hof in der Faulmanngasse 4/Ecke Operngasse 26, am Eck ist eine Skulptur in bunter Keramik: Papageno. Zur Erinnerung an die Uraufführung von Mozarts Zauberflöte am 30. September 1791.
Mühlgasse, benannt nach dem Mühlbach, dieser war ein künstlicher Nebenarm des Wienflusses. Die Bärenmühle wurde vom Mühlbach betrieben. Bärenmühle hatten wir auch schon beim 4. Wiener Spaziergang. Zwischen den Häusern in der Mühlgasse ist eine Grünoase, herrlich zum Verweilen. Das ist das schöne an unserer Stadt, man geht ums Eck und hat das Gefühl, man ist am Land.
Über die Preßgasse geht es zum Naschmarkt. Heute ist Samstag, heute ist Flohmarkt. Da laufe ich immer gerne durch. Hier gibt es noch ein paar Wiener Originale. Auch interessante Alltagsgegenstände, Kurioses oder auch Antiquitäten findet man hier. Die Preise sind schon sehr geschmalzen.
Marktamt
Am Beginn des Flohmarkts ist das Marktamt. Seit dem Mittelalter gibt es schon verschiedene Kontrollorgane wie Fleisch-, Fisch-, Mehl oder Brotbeschauer. 1839 wurde das Marktamt geschaffen. 1851 wurde das Magistrat oberste Marktbehörde. Ab 1863 wurden die Aufgaben des Marktamtes mit Marktpolizei, Marktgebühren, Sanitäts-, Veterinär- und Lebensmittelpolizei umschrieben. Es gab im Laufe der Geschichte immer wieder größere oder kleinere Änderungen. Einen großen Einschnitt gab es mit dem Anschluss 1938. Kurz danach gab es eine grundlegende Umorganisation des Marktamtes. Viele Bedienstete wurden aus „rassischen“ Gründen entlassen oder zwangspensioniert. Die Marktstände wurden „entjudet“. Die Zweite Republik brachte auch viele Änderungen. Gerade nach dem Krieg wurde die Versorgung der Bevölkerung zur großen Herausforderung. Der Schleichhandel, vor allem im Resselpark, war das große Geschäft. Ein Schmuckstück im Tausch gegen ein Kilo Fett. Unvorstellbar. Auch hier hat das Marktamt viel geleistet und wurde im Laufe der Jahrzehnte immer wieder neu aufgestellt. Ein Beispiel war auch die Fußball-Europameisterschaft 2008 in Österreich und der Schweiz. Die Hygienekontrollen in den Fanzonen erfolgten durch das Marktamt.
Uzzi Förster
Wir gehen zur Joanelligasse. Benannt nach dem Barnabitenpriester Don Cölestin Joanelli. Auf Nr. 7 ist das Cafe Einhorn. Es wurde von Uzzi Förster 1977 als Jazz-Cafe Einhorn gegründet. Uzzi Förster war ein Multitalent. Er war Jazzmusiker, Akrobat, Maler, Protagonist des Wiener Aktionismus, Antiquitätenhändler, Schweißer und eben auch Wirt.
Auf Nummer 9, ein Wohnaus aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, ist über dem Portal eine Adlerskulptur, von Franz Wipplinger. Wipplinger war Baumeister und ertrank 1812 in der Donau. Aber sicher nicht wegen diesem Adler, obwohl dieser Adler schon einen komischen Blick hat.
Cafe Sperl
Über die Gumpendorfer Straße gelangen wir zum Cafe Sperl. Ein denkmalgeschütztes Wiener Kaffeehaus. Das ist gut, zur Zeit sperren viele Cafes und Lokale zu. Pandemie und der Krieg machen unsere Zeit nicht sicherer. Alles wird teurer, auch der Kaffee. Das Sperl bleibt! Davor ist das Salzburger Eck, eine halboffizielle Bezeichnung. Bänke, Bäume und ein Schanigarten vom Cafe laden zum Verweilen ein. Ein Marmortafel mit dem Salzburger Landeswappen: gewidmet von Landeshauptmann Dr. Wilfried Haslauer, 1982. Der Platz selbst heißt „Helene-Bauer-Platz“ nach der Wiener Sozialdemokratin Dr. Helene Bauer.
Wir marschieren weiter bis zum Opernring, rechts bis zum Goethe-Denkmal. „Wo viel Licht, ist starker Schatten“ – dieses Zitat von Goethe passt gut auf unsere Politiker der letzten Jahre.
Neuer Markt
Vorbei an der Albertina, Helmut-Zilk-Platz mit dem Mahnmal gegen Krieg und Faschismus, Tegetthoffstraße und stehen am Neuen Markt. Er hieß in der Bevölkerung auch Mehlmarkt, da bis zum 19. Jahrhundert mit Mehl und Getreide gehandelt wurde. In den letzten Jahren wurde hier eine Tiefgarage gebaut, der Neue Markt war vollständig abgesperrt. In der Mitte des Platzes ist der Donnerbrunnen. Geschaffen 1793 von Georg Raffael Donner. Der ursprüngliche Name war Providentiabrunnen oder auch Mehlmarktbrunnen. Der Donnerbrunnen wurde abgetragen, renoviert und steht seit einigen Tagen wieder an seinem Platz.
Wollzeile
Wir sind fast am Ziel. Über die Kärntnerstraße und Stephansplatz – Ohhh Gott hier sind Menschenmassen – landen wir in der Wollzeile. Hier ist heute, der 3. September 2022, Ramasuri ein Straßenfest. Die ganze Wollzeile bis zum Ring ist Fußgängerzone. Viele Geschäfte haben vor ihren Lokalen Bänke und Tische aufgestellt für Waren, welche billiger abverkauft werden. Es gibt Musik, Tanz. Stehpulte für ein Tratscherl bei Kaffee oder Wein. In dieser Straße waren einmal die Wolllweber und Wollhändler zu Hause, deshalb Wollzeile. 1158 war es noch die Wollstrazze.
Als Abschluss gibt es noch ein Glas Wein, oder vielleicht zwei Gläser. Noch ein paar interessante Gespräche mit den Sitznachbarn im Lokal. Ich denke über den Spaziergang nach und bin dankbar und glücklich in dieser Stadt zu leben.
Text + Beitragsfoto: Gabriele Czeiner