Glückshormon aktiviert Immunzellen

Wissenschaftler aus Wien und Harvard entdeckten neuen Weg zur Bekämpfung von Krebs

Seit Jahrzehnten versuchen Forscher die Mechanismen des menschlichen Immunsystems aufzudecken. Erkenntnisse daraus ebneten in den vergangenen Jahrzehnten den Weg für eine neue Ära der Krebstherapie: Gelingt es, das eigene Immunsystem gezielt zu aktivieren, dann kann sich der Körper eigenständig gegen Krebszellen und andere Eindringlinge zur Wehr setzen. Aktuell bringt ein internationales Forscherteam rund um Josef Penninger vom Wiener Institut für Molekulare Biotechnologie völlig neue Erkenntnisse über die Biologie von Immunzellen, die vielseitige medizinische Anwendungen versprechen. Das Verblüffende daran: Die Immunzellen unseres Körpers, sogenannte T-Zellen, werden durch ein Molekül (BH4) aktiviert, das beim Stoffwechsel in unserem Nervensystem eine wichtige Rolle spielt und zur Herstellung des „Glückshormon“ Serotonin und Dopamin benötigt wird. Nunmehr wurde entdeckt, dass BH4 auch das Wachstum der „Soldaten des Immunsystems“ (T-Zellen), kontrolliert.

Pille gegen Brustkrebs

T-Zellen patrouillieren quer durch den Körper und enttarnen Krankheitserreger oder entartete Zellen, die zu Tumoren werden könnten. Bei derartigen Begegnungen werden die T-Zellen aktiv, sie vervielfältigen sich und gehen in eine Art Angriffsmodus über, um Eindringlinge oder Krebszellen gezielt bekämpfen zu können.

Oft ein Problem: Falsch aktivierte T-Zellen richten sich gegen körpereigene Zellen – dies geschieht etwa bei allergischen Reaktionen, Autoimmunerkrankungen, Asthma, Multipler Sklerose, Arthritis, oder bestimmten Hauterkrankungen. Autoimmunerkrankungen und Allergien gehören zu den häufigsten ansteigenden Erkrankungen weltweit, und Therapien werden dringend benötigt. Hier kann die Entdeckung enorm nützlich sein: Wenn man BH4 hemmt, kann der ständige Angriffsmodus autoaggressiver T-Zellen ebenso gehemmt werden, damit sie kein gesundes Gewebe zerstören oder chronische Entzündungen hervorrufen.

Foto: (c) IMP/IMBA Graphics

Gemeinsam mit Clifford Woolf vom Boston Children’s Hospital in Harvard und Kai Johnsson, Max Planck Institute for Medical Research, Heidelberg, entwickelte das Forscherteam einen neuartigen Wirkstoff namens QM385, der BH4 hemmt, und die Immunzellen bei heftigen Überreaktionen „zähmt“. Erste klinische Tests stehen in Aussicht. BH4 ist gleichzeitig auch ein wichtiger Kandidat für zukünftige Krebs-Immunotherapien, denn aktivierte T-Zellen spüren Krebszellen auf, und bekämpfen diese. Die Forscher fanden nun bei Mäusen heraus, dass BH4 den T-Zellen hilft, den Tumor gezielt zu bekämpfen.

In der Vergangenheit ist es dem Team um Josef Penninger gelungen, den Knochenstoffwechsel und mit dem Hormonsystem in Verbindung zu setzen. Therapieeinsätze des daraus resultierenden Wirkstoffes Denosumab reichen bis hin zu einer Pille gegen Brustkrebs, die momentan in Österreich getestet wird.

Text: Gerhard Krause