Ausrutscher

Elvira hat immer geglaubt sie ist sportlich und geschickt. Sie spielt Tennis. Einige Stunden pro Woche. Nicht so wie ein Sonntagsspieler einmal im Monat. Sie fährt, so es das Wetter erlaubt, mit dem Fahrrad. Das ist ein Fortbewegungsmittel für Elvira. Entfernungen bis ca. 10 km und kein großes Gepäck, erledigt sie mit dem Drahtesel. Sie geht zwei Mal die Woche Tanzen. Allerdings ohne Partner. Sie macht Line Dance. Man muss sich aber auch bei dieser Art der Bewegung Schritte merken, rasch reagieren und den Körper auch auf einem Bein stehend bewegen. Dann fährt sie noch einige Wochen pro Saison Schi und geht sehr viel wandern. Demnächst steht der Jakobsweg nach Santiago de Compostela auf dem Plan. Als, sie  denkt, sie kann sich noch recht gut bewegen. Sie macht zwar kein Bungee Jumping, aber immerhin.

Wellness

Dieses Jahr Weihnachten und Silvester verbringt Elvira mit ihrem Mann in Kärnten in einem schönen Wellness Hotel am Berg. 

Am 30. Dezember merkt sie, dass eventuell die mitgebrachten Taschentücher knapp werden. Sollte sie in der Silvesternacht doch weinen müssen, dann wird es eng. Also beschließt Elvira, beim nahegelegenen Spar Nachschub zu kaufen. Es gibt vom Hotel zwei Wege zum Spar. Ein schöner Wanderweg oder die wenig befahrene Straße. Die sportliche Elvira entscheidet sich natürlich für den Wanderweg. Sie ist  perfekt ausgerüstet, gutes Schuhwerk, Haube, Handschuhe und ein warmer Mantel. Es ist klirrend kalt. Elvira merkt gleich, dieser Weg ist heute nix, der ist spiegelglatt. Auch kein Problem, gehe ich halt die Straße entlang, denkt sie. Nach einigen Metern ist klar, auch hier ist es spiegelglatt. Na ja, macht nichts, denkt sie und beschließt wenn die Schneuztüchl zu wenig sind, dann schneuzt man sich halt in Klopapier. Elvira dreht um und geht ins Hotel zurück. Eine fremde Dame kommt ihr noch entgegen. Aber Elvira ist schon in Gedanken im Hotel im warmen Wellnessbereich. 

Ausrutscher

Da, eine hundertstel Sekunde und die Füße haben keinen Halt mehr. Elvira kann nicht einmal verwundert schauen, schon sitzt sie mit ihrem Hinterteil auf der Straße. Die fremde Frau eilt sofort zu Hilfe. „Kann ich ihnen helfen. Warten Sie ich helfe ihnen auf. Haben sie sich wehgetan?“ Da schreit Elvira:“ Gehen sie weg! Mein Arm ist gebrochen! Gehen sie weg!“……“Aber ich will ihnen doch nur helfen!“  Elvira schreit noch lauter: „Gehen sie endlich weg! Mein Arm ist  gebrochen! Weg mit ihnen!“….. „Aber“…..“NEEIINN!  mir kann keiner helfen! Mein Arm ist hin. Mein Schiurlaub ist gerade geplatzt! Ich muss meinen Mann anrufen“. Elvira wählt, sitzend auf der Straße, die Handynummer ihres Mannes. Der, so wie Elvira genau weiß, schwimmt gerade seine Runden die üblicherweise eine Stunde dauern. Er kann das Läuten seines Handys natürlich nicht hören. 

Elvira knallt das Handy wieder in die Tasche, besieht sich nochmals ihren Arm. Der steht noch immer in ganz komischem Winkel ab. Sie rappelt sich auf. Da ist wieder diese lästige Fremde.“ Ich helfe ihnen!“  „Weg mit ihnen. Das tut so fürchterlich weh. Gehen sie weg! Weg, weg, weg!“ Elvira steht endlich wieder auf ihren Füßen. Wackelig zwar, aber sie steht. Sie wankt zum Hoteleingang. Leider öffnet sich die automatische Schiebetür nicht! Es ist Corona und die Hoteltür lässt sich nur mit der Zimmerkarte öffnen. Elvira ist das jetzt aber wurscht! Sie will hinein, sie braucht ein Röntgen und einen Arzt! Sie beginnt an die Glastür zu trommeln. Sie tobt:“ HALLO!! Hallo! Ich will hinein!“ Die Rezeptionisten können dies allerdings nicht hören. Doppelte Verglasungen! Da ist die Fremde wieder! Sie erfasst die Situation sofort und öffnet, ohne ein Wort zu sagen, mit ihrer Karte die Eingangstür. Sie will nicht schon wieder angebrüllt werden.  Elvira ist noch immer außer sich! Wie konnte das nur passieren! Sie ist doch sportlich und geschickt! Die fremde Frau, offensichtlich unsportlich und unbeweglich, ist heil die Straße entlang gekommen. Das ist ungerecht! Beschwerde! Der Rezeptionist bringt Elvira sofort zum Arzt, die Rettung wird gerufen und das Handgelenk ist tatsächlich gebrochen. Inzwischen ist der Mann von Elvira dazu gekommen. Eine gute Seele vom Hotel hat ihn aus dem Wasser geholt und zu seiner am Boden zerstörten Elvira gebraucht. 

Gips

Langsam beruhigt sich Elvira. Der Rest ist Routine. Röntgen, Gips, Medikation…..

Am nächsten Tag sucht Elvira die fremde Dame, die ihr unbedingt helfen wollte und entschuldigt sich bei ihr für das unfreundliche Verhalten. Aber es tat so fürchterlich weh. Der Arm und auch die Seele!

Selbstverständlich ist Elvira Rechtshänderin und gebrochen ist natürlich der rechte Arm. Also, totale Einschränkung! Der Mann muss ran! 

Haare waschen: unbefriedigend für Beide!

Frisieren: Sehr unbefriedigend.

Schnitzerl schneiden: sehr gut. Eigentlich ist es sehr bequem nur mit der Gabel aufzuspießen.

Im Krankenhaus das Formular ausfüllen: geht nicht, wird vom Personal erledigt!

Gurgeltest: unmöglich! Das Krankenpflegepersonal ist sehr hilfreich und nett. 

Alles ist mit gutem Willen und freundlicher Hilfe  möglich! Viele fremde Personen wünschen Elvira eine gute und baldige Besserung! 

Schlimm waren nur die vielen gutgemeinten Neujahrswünsche: EINEN GUTEN RUTSCH! Danke, danke, ich bin schon genug gerutscht!

Zwei Tage nach der Gipsabnahme wird Elvira positiv auf das Corona Virus getestet und liegt einige Tage mit Symptomen im Bett. 

Weitere zwei Tage schießt die sogenannte Hexe in Elviras  Kreuz und verflucht sie zu Unbeweglichkeit.

„Am Ende wird alles wieder gut. Und wenn es noch nicht gut ist, dann ist es noch nicht zu Ende.“ Kalenderspruch aus Tante Luises heimeliger Küche.

Text: ces

Beitragsbild: www.123rf.com © rastudio

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Elvira hat immer geglaubt sie ist sportlich und geschickt. Sie spielt Tennis. Einige Stunden pro Woche. Sie fährt mit dem Fahrrad.
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