Vertigo – Wie gegen Schwindel geholfen werden kann

Jeder Vierte der Generation 60 plus klagt häufig über Benommenheit oder Drehen im Kopf, das im ganzen Körper für Unwohlsein sorgt: Der Schwindel (Vertigo) ist meist verbunden mit der Angst, sich nicht sicher bewegen zu können oder gar zu stürzen. Schwindel ist dann nicht nur ein körperliches Leiden, sondern wird zur psychischen Belastung, weiß Dr. Benjamin Loader, Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde in Wien: „Der Begriff „Schwindel“ ist im Wesentlichen keine Erkrankung, sondern Zeichen einer Diskrepanz zwischen dem Gleichgewichtssinn, dem visuellen System sowie dem Zusammenspiel von Sehnen, Muskeln und Gelenken.“ Erst in weiterer Folge würde die zentrale Koordinierung dieser gesammelten Reize im Gehirn versagen. Aus diesem Missverhältnis kann Unwohlsein, Benommenheit oder sogar der Verlust der Orientierung resultieren. Angst und Panik sind dabei Begleiter. Je nach Ursachenmuster unterscheidet man peripher vestibuläre Ursachen, neurologische Ursachen, phobische Störungen, Herz-Kreislauf-Störungen und Altersschwindel. Die Störungen im vestibulären System äußern sich in Form eines anfallsartigen Schwindels, Drehschwindel, Liftgefühl oder dem Gefühl zu Boden zu sinken oder zur Seite gezogen zu werden. Kardiovaskuläre Ursachen sind häufig mit Herzklopfen oder „Schwarzwerden vor den Augen“ verbunden.

Altersschwindel

Durch das Älterwerden der Bevölkerung, tritt der langsame Prozess des Koordinationsverlustes im Rahmen von natürlichen Abbauphänomenen auch immer mehr im Vordergrund: Altersschwindel (Presbyvertigo). Erleidet ein Patient eine akute starke Schwindelattacke, kann sich diese so eindrucksvoll darstellen, dass akute ärztliche Hilfe benötigt wird. In der Erstdiagnostik werden gefährliche Erkrankungen ausgeschlossen und zielgerichtete Behandlungen durchgeführt. Ist die Akutphase erfolgreich überstanden, erfolgt relativ rasch die Mobilisierung.

Hilfe ist möglich

Ziel der langfristigen Therapie ist es, die Haltung des Körpers im Raum mit Übungen zu stabilisieren. Hier macht man sich die Tendenz des Gehirns zunutze, einseitige Defizite im zentralen System auszugleichen. Durch regelmäßige Wiederholung bestimmter Bewegungen kommt es langfristig zu einer Leistungsverbesserung – der Körper gewöhnt sich an das Ungleichgewicht und lernt es auszugleichen. Übungen, die zur Umgewöhnung führen, sind etwa Fixierung, Blickfolgebewegungen und schnelle Augenfolgebewegungen. Aber auch das Stehen auf einer Kippplatte, um bestimmte Muskelgruppen entsprechend gezielt zu trainieren, kann helfen.

Übungen:

Eine der Übungen, die man öfter und mehrmals am Tag leicht durchführen kann, ist einen Ball in sitzender Position in die Hände zu nehmen und ihn vor sich auf den Boden zu legen. Dann auch immer wieder aufheben. Oder man zieht die Schultern bis zu den Ohren hoch, zählt bis drei, und lässt sie dann wieder fallen. Auch balancieren mit einem Ball in den Händen auf einem am Boden liegenden Schnur kann helfen. Diese gezielten Übungen, die mit Konsequenz ausgeführt werden müssen, ermöglichen es auf Dauer mit Schwindel zu überlisten, weil der Körper sich daran gewöhnt. Dieser Gewöhnungseffekt stellt sich in jungen Jahren leichter ein, als das im hohen Alter der Fall ist.

Medikamentenhilfe

Auf medikamentöser Seite haben sich der Wirkstoff Betahistin sowie die Behandlung mit Ginkgo-Präparaten etabliert. Empfehlenswert sind aber auch homöopathische Mittel, wie eine Kombination aus Anamirta cocculus, Conium maculaturm, Petroleum rectificatum und Ambra grisea, um die Rehabilitation langfristig zu unterstützen. Von der langfristigen Dämpfung durch sedierende Medikation ist man abgekommen, um so die zentrale Kompensation des Gleichgewichts nicht zu verzögern.

Homöopathie

In der Homöopathie sind die verschiedenen Ursachen des Schwindels nicht vorrangig, um zur richtigen Arznei zu gelangen, weiß die Homöopathin und Allgemeinmedizinerin Dr. Ilse Fleck-Václavik. Wichtig für die korrekte Verordnung sind typische Symptome wie eine bestimmte Tageszeit, eventuell vorhandene Begleitsymptome (dabei auftretende Kopfschmerzen, Schwitzen, Zittern, ob das Öffnen oder Schließen der Augen bessert oder verschlechtert, etc.). Nicht wenige Patienten wünschen sich aber eine rasche Verordnung ohne aufwändiges Befragen. Deshalb ist die Verordnung eines Komplexmittels eine leicht anzuwendende Möglichkeit, Patienten rasch und nebenwirkungsarm zu helfen. Besonders bewährt habe sich die homöopathische Spezialität „Vertigoheel“ (Tropfen oder Tabletten). Sie ist gleichwertig mit herkömmlichen schulmedizinischen Medikamenten. Betahistin hat zwar keine sedierenden Eigenschaften, ist aber kontraindiziert bei Patienten mit Asthma bronchiale und Phäochromozytom. Vorsicht ist auch bei Magen-Darm-Ulzera geboten.

Ins Gleichgewicht

Die Apothekerin Mag. pharm. Ilona Leitner wird häufig mit Schwindel-Beschwerden konfrontiert, bevor die Patienten einen Arzt aufsuchen. Daher gilt es im ersten Schritt, das Krankheitsbild zu analysieren, um eine Einschätzung der Situation zu bekommen und ob es notwendig den Patienten an den Arzt oder ein Krankenhaus zu verweisen. Gerade beim Schwindel, der das Äußere des Patienten nicht sichtbar verändert, sind grundlegende Fragen abzuklären: Wie ist der Blutdruck? Ist der Patient wetterfühlig? Hat der Patient ausreichend getrunken und gegessen? Darüber hinaus muss das Interesse der Frage gelten, ob der Patient andere Medikamente einnimmt, denn Schwindel kann auch als Nebenwirkung oder Wechselwirkung auftreten. Auch langen See- oder Flugreisen können Schwindel auslösen. Wesentlich ist auch der äußere Eindruck: Kann der Patient ohne Hilfe gehen? Ist er durch den Schwindel bei der Fortbewegung beeinträchtigt? Wenn aus der Anamnese klar hervorgeht, dass die Beschwerden mit großer Wahrscheinlichkeit schnell und leicht zu behandeln sein dürften, greift die Apothekerin gerne zu bewährten Arzneien. Homöopathische Arzneimittel eigenen sich hier besonders gut, da sie schonend wirken. Zudem besteht damit nicht die Gefahr, die Ursache des Schwindels zu verschleiern, sollten die Beschwerden doch stärker und die Konsultation eines Arztes notwendig werden. Bisweilen ist Schwindel häufig auch ein Zeichen, durch das der Körper überfordert wird und das anzeigt. In diesem Fall wird über homöopathische Arzneimittel hinaus auch gezielte Schonung empfohlen, damit sie zu Ruhepausen kommen und mit Hilfe der sanften Unterstützung des empfohlenen Arzneimittels – im wahrsten Sinne des Wortes – wieder ins Gleichgewicht kommen.

Text + Fotos: Gerhard Krause, Vertigo

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